Schon bald ist unsere erste Woche im Dorf um. Wir haben schon einiges erlebt und ich bin gespannt, was noch kommen wird. Gerade geniesse ich es sehr in einem Dorf zu wohnen. Hier kennen sich die Leute, man stoppt unterwegs für einen kurzen Schwatz. Und das Leben findet draussen statt – so sind die Schneiderinnen und Schreiner nicht in der Werkstatt versteckt, sondern haben ihre Nähtische und Werkzeuge draussen gegen die Strasse aufgestellt. Vielleicht tun sie das wegen dem natürlichen Licht, das sie so haben – jedenfalls sind sie so in direktem Kontakt mit der Aussenwelt. Gleichzeitig sind die Kinder draussen in den Strassen am Spielen – und so hat mein Sohn hier an jeder Ecke Spielkameraden.




Einige Kinder hat er bereits am ersten Tag eingeladen in unserem Innenhof zu spielen, anstatt auf dem Weg vor unserem Eisentor. Seither fragt er mich morgens als erstes, ob er wieder das Tor öffnen darf bzw. klopfen die Kinder am Tor und rufen nach ihm, damit sie wieder zusammen spielen können: ein Fussball, ein paar seiner Spielzeugautos, ein paar kleine Bilderbücher, ein Dobble (Kartenspiel), ein Uno – und neuerdings noch ein Seil stehen zum Spielen zur Verfügung. Manchmal benutzen die Kinder auch andere vorhandene Dinge wie z.B. ein Besen zum Spielen. Die Kinder haben genug Fantasie so mehrere Stunden in unserem Innenhof zu verbringen. Mittlerweile lässt mein Sohn das Metalltor meistens offen, damit nicht bei jedem neuen Kind, das dazukommt wieder jemand das Tor öffnen muss. Diese Ausgangslage ist für meinen Sohn und mich gerade ausgezeichnet – er kommt genug zum Spielen und ich habe so mehr Zeit für mich. Und manchmal geselle ich mich auch zu ihnen, um mit ihnen Karten zu spielen oder Suaheli zu lernen.

Freiheit für meinen Sohn
„Oh, du hast so einen tollen Sohn. Weisst du, meistens spielen die Kinder der Tourist:innen nicht mit den einheimischen Kindern. Aber bei deinem Sohn ist das ganz anders. Und verrückt wie gut er sich bereits orientieren kann. Er hat mir heute auf dem Nachhauseweg gezeigt, wo wir durchfahren müssen.“ – das melden mir hier meine neuen Gastgeber zurück. Hier ist eine ganz andere Stimmung als am letzten Ort und ich kann mich dieser Lobes-Hymne nur anschliessen. Es ist wirklich schön, wie er hier wieder Freund:innen findet, seine Sachen grosszügig teilt und er sich neugierig auf Entdeckungs-Touren mit mir einlässt. Und all diese Wertschätzung von aussen für seine Stärken tun meinem Mutter-Herz gut – besonders nach den eher kritischen Rückmeldungen in der letzten Unterkunft. Er ist ein aktiver Junge mit einem grossen Herz und ich bin froh, hier mit ihm diese Erfahrungen zu teilen.
Wer sind unsere Gastgeber?
Unsere Kontaktperson ist Osward. Er hat dieses Haus gemietet und versucht über das Beherbergen von Gästen, sowie Privat-Safaris, die er mit seinem Unternehmen Africa Merit anbietet, Geld für seinen Lebensunterhalt und seine Herzens-Projekte zu verdienen. Bis vor zwei Jahren hat er in einem Kinderheim mitgearbeitet. Er erklärte mir, dass dieses Heim geschlossen wurde. Denn der Tansanische Staat hat eine neue Strategie: Pflegefamilien sollen Kinderheime ersetzen, damit die Kinder in den Familien besser auf den Alltag vorbereitet werden und sie so auch ein stabiles soziales Netz haben, auch als Erwachsene, wenn sie nicht mehr in den Betreuungsstrukturen sind.
Deshalb hat er nun im März dieses Jahres mit zwei Freundinnen ein neues Projekt gestartet (mehr Infos folgen). Einen Kindergarten (Pre-School) für Kinder aus einer ärmeren Nachbarschaft. Das Ziel ist, dass die Kinder dort im Kindergarten bereits Englisch lernen und grundlegende Fähigkeiten erlernen, die ihnen den Schulstart erleichtern. Denn es gibt eine spezielle Herausforderung im tansanischen Schulsystem. Die ersten sieben Jahre Primarschule sind in Suaheli und Englisch wird einfach in einem Fach unterrichtet. Und in der Oberstufe, der Kanti und an den Universitäten ist der Unterricht ausschliesslich in Englisch – Suaheli wird nur noch als Fach unterrichtet. Und hier wird im Alltag kaum Englisch gesprochen – ich stelle mir also vor, wie das für mich gewesen wäre, wenn nach einer Primarschule in Deutsch ab der Oberstufe der Unterricht einfach komplett in Französisch stattgefunden hätte… Die Familien, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder an englischsprachige Primarschulen. So sind sie einerseits besser vorbereitet für die nachfolgenden Schulen, andererseits profitieren sie von einem besseren Unterricht. Denn in den öffentlichen Schulen sind auch hier bis zu 60 Kinder in einer Klasse.
Zurück zu Osward, unserem Gastgeber: Es ist ihm wirklich ein grosses Anliegen, dass seine Gäst:innen hier eine gute Zeit verbringen. Deshalb hat er Diana, eine seiner „Schwestern“ (Freundinnen), organisiert. Sie wohnt nun mit uns hier, bereitet uns das Frühstück vor und begleitet uns überall hin. Dazu kommt noch eine andere 17-jährige junge Frau aus der Nachbarschaft, Isabella. Sie kam am ersten Abend in unseren Innenhof, weil ihre zwei kleinen Halbgeschwister hier hin kamen zum Spielen. Wir fingen uns an zu unterhalten und sie lud mich spontan in ihr Zuhause ein und zeigte mir danach noch das Zuhause ihrer grossen „Schwester“ (besten Freundin), Bahtia. Um zu ihr zu kommen, spazierten wir kurz durch einen kleinen „Bananen-Wald“. Sie lebt mit ihrem Mann ebenfalls in einer 1-Zimmer-Wohnung inkl. „Küche“ (erkennbar an einem Gaskocher, aufgestapelten Behälter mit Mehl, Reis etc. und Geschirr). Als wir vorbeischauten, war sie gerade am Abwasch erledigen – mit einem Becken gefüllt mit etwas Wasser vor dem Hauseingang hockend.
Zu den zwei Frauen hinzu kommt noch Roda, sie kommt meistens gegen Abend vorbei und kocht für uns. Denn für 5$ pro Person kann man in dieser Unterkunft Mittag- und Abendessen hinzubuchen. Neben dem guten afrikanischen Essen, das wir so geniessen können, geniessen wir auch die Tischgemeinschaft mit unserem Gastgeber und seinen „Schwestern“.
Ausflüge
An unserem ersten Tag hier organisierte Osward für uns einen Ausflug zum „Duluti“ See, ein Kratersee, der sich am Rande unseres Dorfes befindet. Dort sind wir von Joki, einem freundlichen Guide begrüsst worden. Er ist ein Bekannter von Osward und er hat uns in seinem Holzboot für zwei Stunden dem Seeufer entlang geführt. Der See und der Wald darum sind geschützt und es ist ein Paradies – besonders für Vögel. So hatten wir eine Boot-Safari – und haben verschiedene Vögel und ihre Nester gesehen.
Am nächsten Tag sind wir zum wöchentlichen Markt in Tengeru spaziert – viele Farben, viele Gerüche und viel Geräusche. Es hatte einen riesiegen Marktteil mit Second Hand Kleidern – wohl solche, die von Texaid etc. hier günstig verkauft werden – und dann hier von Einheimischen weiterverkauft werden. Osward erklärte mir, dass sie hier schon fast überschwemmt werden mit diesen Kleidern und Schuhen. Gleichzeitig schätzen die Leute es so zu bezahlbarer qualitativ guter Baumwoll-Kleidung zu kommen. Die Alternative wäre günstige Kleider aus Kunstfasern wie Polyester etc.
Gestern spazierten wir von unserer Unterkunft aus zu einem Wasserfall, der ca. 3km von hier entfernt ist. Mir gefällt die Umgebung hier gut – es ist alles grün: es gibt viele Bananen- und Avocado-Bäume – die anderen Bäume kenne ich (noch) nicht, aber sie gefallen mir auch. Ab und zu laufen einem wieder ein paar Hühner über den Weg oder am Wegrand sind ein paar Kühe angebunden. Unterwegs sind die Leute hier im Dorf entweder zu Fuss oder mit den Boda-Bodas (Motorrad-Taxis), selten sehen wir jemanden auf einem Velo oder in einem Auto. Manchmal fahren irgendwelche Bauarbeiter mit einem Auto oder Lastwagen vorbei. Die Leute grüssen uns freundlich und zum Glück sind Isabella und Diana immer dabei zum Dolmetschen. Zum Wasserfall wurden wir von einer jungen „Führerin“ begleitet. Sie machte auch Fotos von uns (und teilweise vom Wasserfall).
Wir erleben hier also viele schöne Sachen und sind wunderbar umsorgt. Nächste Woche startet vielleicht eine neue Lehrerin in Osward’s Kindergarten – dann helfe ich dort vielleicht etwas mit. Und ich gestalte mit ihm wohl ein Fundraising damit die Auslagen für die Miete vom Kindergarten-Raum, sowie für den Lohn der Lehrerin längerfristig gedeckt werden können. So viel zum Ausblick – hier zum Abschluss noch ein paar Fotos.














P.S. Ich freue mich, wenn ihr die Kommentar-Funktion benutzt (z.B. auch für Fragen) oder die Beiträge liked, wenn sie euch gefallen. 🙂 Liebe Grüsse aus dem eher kühlen Ostafrika (im Vergleich zur Hitze in der Schweiz).

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