Während ich diesen Text um 6 Uhr morgens schreibe, höre ich in der Ferne einen Pastor laut ins Mikrofon schreien und abwechslungsweise krähen die Hähne in unserer Nachbarschaft. Doch ich bin froh, wir sind nun endlich angekommen.
Verdacht auf Bettwanzen
Der Start in Tanzania erforderte viel Energie, Geduld und Vertrauen von mir. Zuerst war da mein Verdacht, dass wir in der Wohnung von Janet vielleicht Bettwanzen aufgelesen hatten – ich hatte am Morgen nach der Übernachtung zwei in unserem Schlafzimmer entdeckt. Somit entschied ich mich nach unserer Busreise nach Arusha unsere erste Nacht in einem Hotel anstatt im Hostel zu verbringen. Unser Gepäck liessen wir unberührt in einem Gepäckraum stehen, bis es von einem spezialisierten Unternehmen abgeholt wurde (welches ich im Internet gefunden hatte). Schlussendlich holten sie es nicht wie versprochen am Donnerstagnachmittag, sondern erst am Freitagmorgen ab. Also gingen wir direkt mit diesen Leuten mit – mit der herzlichen Unterstützung von Ruth (die Frau aus dem letzten Beitrag). Denn in Kenia ist Englisch die offizielle zweite Landessprache geblieben, doch in Tanzania nicht. Sprich, hier ist die Schule in Suaheli, die Nachrichten und Zeitungen sind ebenfalls in Suaheli – was zur Folge hat, dass Englisch eine Fremdsprache ist, bei welcher bei den meisten nach den Begrüssungs-Floskeln keine weiteren Kenntnisse vorhanden sind. Natürlich sprechen die Leute, die im Tourismus arbeiten gut Englisch – von dem her, kommt man trotzdem gut durch. Die Kommunikation mit dem Rest der Bevölkerung ist einfach etwas herausfordender.
Zurück zur Schädlingsbekämpfung: Da waren wir also in diesem Innenhof, wo sich auch das Lager dieses Unternehmens befand, das sich auf allerlei Reinigungsmittel spezialisiert hat. Eine grosse Plache wird auf dem Boden ausgelegt und all unsere Kleider darauf verteilt. Zum Glück hatte ich unseren Koffer über Nacht im Auto gelassen – so müssen wir diesen nicht ausräumen. Jedenfalls gibt es hier keine Spürhunde für die Schädlingserkennung – so wird nun alles mal präventiv mit diesem „Gift“ (?!) besprüht, etwas an der Sonne liegen gelassen und dann von Hand mit nochmals anderen Mitteln und Wasser ausgewaschen. Mein Sohn lässt sich den Wasserspass nicht entgehen und ist innert Kürze durchnässt. Zum Glück hatte ich noch irgendwo trockene Ersatzkleider. Doch meine Nerven sind blank, diese unvorgesehene Sache nimmt mir meine Energie. Nach rund 1.5h ist die Prozedur vorbei. Die drei Männer, die sich darum gekümmert haben, packen die nasse Kleidung wieder in den Rucksack. Nun bringen sie mich zu einem Bankautomaten, damit ich ihnen die 250’000 tanzanischen Schillinge übergeben kann. Keine Angst, im Vergleich zu den Schweizer Preisen kam ich noch gut weg. Die Währung und die Wirtschaft in Tanzania ist einfach etwas schwächer als die in Kenia. Sprich, die grösste Geldnote hier ist 10’000 Schilling wert und das sind 3 Franken. Somit habe ich ihnen mit einem dicken Geldbündel rund 80 Franken für diese Prozedur bezahlt. Vielleicht schon etwas zu viel für hier – doch ich war in diesem Moment einfach nur froh, dass es vorbei war und mir jemand die nötige Hilfe bieten konnte.





Im und ums Hostel
Nun ging es endlich ins Hostel, wo wir in der Gemeinschaft mit anderen Freiwilligen aus aller Welt für einen Monat wohnen und in einer „Day Care“ (einer Kita) freiwillig mitarbeiten möchten. Das Hostel besteht aus einem Haupthaus und einem kleinen Nebenhaus – alles umgeben von einem schönen Garten. Da das deutsch-tansanische Eigentümer-Ehepaar auch kleine Kinder hat, freut sich mein Sohn hier Spielkameraden zu haben.

Ich hing also unsere nasse Wäsche zum Trocknen auf – was gut funktionierte, da die Sonne schien, was jedoch die letzten Tage in Arusha nicht der Fall war. Dies sei etwas speziell, weil die Regenzeit eigentlich vorbei sein sollte – doch auch hier sind die Einflüsse der Klimakrise spürbar. In unserem Zimmer im Nebenhaus packte ich all unsere noch trockenen Sachen in die Schränke. Zur Stärkung wurde uns etwas Gewürzreis vom Vorabend aufgewärmt und die Kinder genossen das erste gemeinsame Spiel. Danach machten wir uns auf unseren ersten Spaziergang, um die Nachbarschaft etwas kennenzulernen und etwas Proviant einzukaufen. Im Hostel wird unter der Woche jeweils Frühstück und Abendessen vorbereitet, doch am Wochenende muss man sich selbst verköstigen. Unterwegs zum Einkauf fand mein Sohn neben einem Supermarkt einen grossen Spielplatz – mit vielen etwas in die Jahre gekommenen Spielsachen. Nachdem ich 5’000 Schilling Eintritt bezahlte, durfte er dort spielen – und netterweise kam noch ein Arbeiter, von der Autowasch-Anlage nebenan vorbei, und half meinem Sohn (beim Stossen vom Karussell etc.).
Ich war extrem froh, denn ich war immer noch total erschöpft von den Strapazen, plus vom Einrichten am neuen Ort. Nachdem er sich ausgespielt hatte, erkundeten wir diesen ersten Supermarkt – da gab es scheinbar alles von der Zahnbürste bis zum Schauckelstuhl. Doch die Beleuchtung und Einrichtung war etwas bescheiden. Wir kauften dem netten Helfer von nebenan ein Getränk zum Danke sagen, wobei die Verkäuferin beim Bezahlen gerade noch aus einer Pfanne etwas Aufgewärmtes ass.

Weiter ging die Entdeckungs-Tour: mein Sohn fand ein Möbelgeschäft, das er gerne besuchen wollte. Warum nicht? Auch das ist eine Entdeckung wert – vor allem, wenn man da Möbel für 1.5 Millionen tanzanische Schillinge bestaunen kann. Man rechne wie viele 10’000 Scheine man für diesen Einkauf mitbringen müsste. Die Verkäuferin erklärt mir, dass sie dafür eine Zähl-Maschine haben und es natürlich auch möglich ist mit Karte oder M-Pesa (= mobiles Geld) zu bezahlen. Hier wieder ein kleiner Einschub. Die Google KI sagt folgendes dazu: „M-Pesa ist ein mobiler Bezahldienst, der 2007 von Vodafone und Safaricom in Kenia eingeführt wurde. Er ermöglicht es Benutzern, Geld über ihr Mobiltelefon zu senden, zu empfangen und zu verwalten, ohne ein traditionelles Bankkonto zu benötigen. M-Pesa hat sich zu einem weit verbreiteten Dienst in mehreren afrikanischen Ländern entwickelt und bietet eine Vielzahl von Finanzdienstleistungen, darunter Geldtransfers, Rechnungszahlungen und Mikrokredite.“ Im Vergleich dazu, wurde das Schweizer Mobile Zahlungssystem TWINT erst 2017 = 10 Jahre später eingeführt. Afrika ist uns in manchen Dingen also voraus.
Nach dem Möbelgeschäft gings über eine unbewachte Bahnschiene (wo sehr selten Züge fahren und wenn sie kommen sich durch lautes Pfeiffen ankündigen) weiter zum Ziel unseres Spaziergangs: zum „Village Supermarket“. Das Angebot dort war vergleichbar mit dem Angebot im teuren Supermarkt in Nairobi. Es gab viele europäische, amerikanische und asiatische Produkte…




So jetzt kürze ich etwas ab – am nächsten Tag kriegten wir von einem Hostel-Mitarbeiter eine Stadtführung. Er zeigte uns den Souvenir „Maasai Market“, den teuren Markt und den günstigeren Markt – und nochmals einen teuren Supermarkt. Unterwegs waren wir mit dem Daladala (= öffentlicher Kleinbus, 600 Schilling pro Fahrt) und dem Tuktuk (unterschiedliche Preise, je nach Strecke, Anzahl Personen ca. 2000 – 7000 Schilling). Es war spannend die Innenstadt zu sehen und gleichzeitig etwas überfordernd/ermüdend.






Am Tag darauf gingen wir mit ein paar Deutschen vom Hostel in einem „teuren“ Restaurant essen = eine Pizza kostet dort 20’000 Schilling (2×10’000 à Chf 3 = Chf 6). Und im Anschluss besuchten wir mit ein paar Leuten die „Art Gallery“. Diese war sehr eindrücklich. Die Bilder sprechen für sich:




Eine überraschende Wendung
Zurück im Hostel hat mein Sohn jeweils das Spielen mit den anwesenden Kindern genossen – und ich war nicht immer anwesend, mal am Kochen, mal am Duschen oder Ausruhen. Jedenfalls meldete mir die Inhaberin vom Hostel am Sonntag zurück, dass sie extrem gestresst sei durch das Verhalten von meinem Sohn, weil er sich nicht an die Hausregeln halte, ihr nicht gehorche und ihre Kinder sogar in Gefahr bringe. Sie stellte mich vor die Wahl: entweder ändere mein Sohn sein Verhalten ab sofort – oder wir können nicht mehr weiter auf dem Gelände wohnen. Gleichzeitig machte sie mir Vorschläge für alternative Wohnformen bei Gastfamilien. Ich fühlte mich durch diese Rückmeldung sehr unter Druck gesetzt. Für mich war klar, dass mein Sohn sein Verhalten nicht von heute auf Morgen ändern wird – und gleichzeitig würde ich mich selbst auch sehr gestresst fühlen, wenn ich nun meinem Sohn auf Schritt und Tritt folgen müsste, um jegliche Probleme zu vermeiden. Weiter fing die Inhaberin an Zweifel zu äussern über die Möglichkeit eines Freiwilligendienstes von meinem Sohn und mir – zumindest in den vorgesehenen Projekten, welche sie uns im Voraus vorschlug… Es war das erste Mal, dass sie eine Mutter mit einem Kind unter 12 Jahren vermittelte und beherbergte – es war ein Versuch, jedoch war dieser aus ihrer Sicht während den ersten drei Tagen gescheitert.
Wow. Was für ein Schock. Einerseits war ich froh, dass sie mir diese Rückmeldung bereits nach drei Tagen gab, damit ich wusste woran ich bei ihr bin. Gleichzeitig war ich enttäuscht, dass sie ihren Entschluss so schnell fasste und uns nicht mehr Zeit gab an diesem Ort anzukommen. Andererseits stellte sich für mich dadurch die ganze Planung auf den Kopf. Denn für mich war klar – wenn ich da weggehe, dann ganz. Ich möchte mich nicht durch eine Person irgendwo hin vermitteln lassen, die meinem Sohn und mir so skeptisch gegenüber steht. So habe ich die Dinge in die Hand genommen und verschiedene Türen angeklopft von CouchSurfing Übernachtungen (ohne Freiwilligeneinsatz) bis zu AirBnB Angeboten mit Freiwilligendienst. Und bei einem AirBnB in einem Dorf neben Arusha sind wir nun schlussendlich gelandet. Hier fühlen wir uns rundum wohl und haben eine 100% tanzanische Umgebung = weder andere europäische Volunteers, noch europäische Organisator:innen. Wir geniessen es sehr in unserem neuen Zuhause – und ich berichte bald mehr über unsere Erlebnisse hier im Dorf…
Zwischenzeitlich hat sich das Geschrei der Kirche in Gesang verwandelt. A propos Kirchen – hier sieht man unzählige davon. Und wenn plötzlich Mitten in einem Quartier ein pompöses Haus steht, kann man quasi darauf gehen, dass es wohl wieder eine Kirche ist. Oft hört man auch laute Musik aus der Kirche kommen – oder jemanden laut beten oder predigen. Sprich, wie in Europa, hat auch in Afrika die Christianisierung die ursprünglichen Glauben der Menschen verdrängt. Es liegt hier einfach erst 2-3 Generationen zurück. So hatte mir unser Guide in Kenia erklärt, dass sein Grossvater ihm erzählt hatte, dass sie (die Volksgruppe der Kikuyus) früher bei einer lang anhaltenden Trockenzeit bei einem alten Baum, der wie ihre Kirche war, ein einfarbiges Schaf opferten und um Regen baten – und jedes Mal hat es genützt und am Abend nach dem Ritual kam der ersehnte Regen. Dieser Baum steht auch heute noch – und die Leute ehren ihn auch heute noch, in dem sie die Regel befolgen, dass er nicht beschnitten werden darf. Das könnte Unheil bringen über die Familie. Und würde der Baum plötzlich umfallen, würde es bedeuten, dass bald etwas Negatives passieren wird.

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